Verkehrssicherheit vs. wirtschaftliches Interesse: Was hat Vorrang?

Verkehrssicherheit ist ein hohes Gut und sollte bei einer verkehrsrechtlichen Anordnung immer im Vordergrund stehen. Doch es gibt Ausnahmen, etwa dann, wenn ein einzelnes Unternehmen massiv unter einer Anordnung leiden würde.

So hat Verwaltungsgerichtshof München (11 B 23.589) in einem aktuellen Urteil eine verkehrsrechtliche Anordnung einer Kommune aufgehoben, die ein Durchfahrverbot für Fahrzeuge über 7,5 Tonnen auf einer bestimmten Gemeindestraße anordnete. Die Entscheidung wurde ursprünglich zur Verkehrssicherheit insbesondere für Schulkinder verhängt. Der VGH München erklärte die Anordnung als rechtswidrig und hob sie auf, da die Behörde die wirtschaftlichen Interessen des klagenden Unternehmens unzureichend berücksichtigte und die Maßnahme nicht ausreichend abwägte.

Umwege führen zu Kosten
Zuvor hatte ein Unternehmen, das eine Kiesgrube am Ende dieser Straße betreibt, gegen die Anordnung geklagt. Diese habe erhebliche wirtschaftliche Einbußen zur Folge, da alternative Routen längere Fahrtzeiten und Mehrkosten verursachen würden. Das Unternehmen machte geltend, dass es aufgrund des Durchfahrverbots nur noch eingeschränkten Zugang zur Kiesgrube habe und somit gezwungen wäre, alternative, jedoch teurere Transportwege zu nutzen. Die Kommune hingegen begründete die Einschränkung mit der Verkehrssicherheit für Anwohner und insbesondere Schulkinder, die morgens und nachmittags die Straße nutzten. Die Straße sei schmal und weise keine Gehwege auf, was eine erhebliche Gefährdung für Fußgänger darstelle.

Alternativen nicht geprüft
Das Gericht hob in seinem Urteil hervor, dass das allgemeine Verkehrsrisiko auf dieser Straße, die bereits seit Jahrzehnten von Schwerlastverkehr genutzt wird, nicht wesentlich erhöht sei und dass bislang keine Unfälle verzeichnet wurden. Die Anordnung sei daher unverhältnismäßig, zumal alternative Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit, wie etwa eine Einbahnregelung, nicht geprüft wurden. Der Senat betonte, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Klägerin in diesem Fall von der Behörde angemessen hätten abgewogen werden müssen.

Fundierte Abwägung der Gefahrenlage
In der Urteilsbegründung stellte das Gericht fest, dass es zwar grundsätzlich im Ermessen der Verkehrsbehörden liege, Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu treffen, diese aber nur dann zulässig seien, wenn sie auf einer fundierten Abwägung und konkreten Gefahrenlage basierten. Die Anordnung der Stadt sei ermessensfehlerhaft, da sie die wirtschaftlichen Folgen für die Klägerin nicht ausreichend berücksichtigte und weniger belastende Maßnahmen nicht in Erwägung zog.

Strenge Prüfung erforderlich
Das Urteil verdeutlicht, dass verkehrsrechtliche Maßnahmen, die sich gezielt gegen die wirtschaftlichen Interessen eines Unternehmens richten, einer strengen Prüfung unterliegen und eine umfassende Abwägung aller betroffenen Interessen erfordern.


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